Die Entscheidung für eine Wohnung und eine Wohngegend ist eine der wichtigsten und persönlichsten Entscheidungen, die Menschen in ihrem Leben treffen. Diese Wahl hängt stark von individuellen Lebensphasen und den damit verbundenen Bedürfnissen ab, die je nach Altersgruppe variieren. Die Sozialwissenschaft bietet tiefgehende Einblicke in diese unterschiedlichen Prioritäten, die Menschen bei der Wohnungswahl anlegen, und zeigt, wie diese Entscheidungen von gesellschaftlichen und ökonomischen Faktoren beeinflusst werden.

Junge Menschen: Leben in der WG

Junge Erwachsene, insbesondere solche im Alter von 18 bis 30 Jahren, legen großen Wert auf Nähe zu Bildungseinrichtungen und Arbeitsplätzen. Die Verfügbarkeit von öffentlichem Nahverkehr, Freizeitmöglichkeiten und sozialen Treffpunkten spielt eine zentrale Rolle. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ziehen junge Menschen oft in städtische Gebiete, die eine hohe Dichte an kulturellen Angeboten und eine lebendige urbane Atmosphäre bieten. In der Praxis bedeutet dies, dass diese Altersgruppe bei der Wohnungssuche häufig Plattformen wie WG-gesucht oder ImmobilienScout24 nutzt und gezielt nach Stadtvierteln sucht, die für ihre Dynamik und Vielfältigkeit bekannt sind.

Familien mit Kindern: Wo gehts hier zur Kita?

Familien mit Kindern haben andere Prioritäten. Sie suchen nach Wohngegenden mit guter Infrastruktur für Kinderbetreuung und Bildungseinrichtungen sowie sicheren Spielplätzen und Grünflächen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass Familien vor allem Wert auf die Nähe zu Schulen und Kindergärten, eine geringe Verkehrsdichte und ein sicheres Wohnumfeld legen. Bei der konkreten Suche hilft es, lokale Anzeigen und Immobilienportale zu durchforsten und gezielt nach familienfreundlichen Vierteln zu suchen, die oft auch von kommunalen Webseiten hervorgehoben werden.

Best Ager: Erst zum Arzt, dann ins Restaurant

Die Generation der 50- bis 65-Jährigen, häufig auch als „Best Ager“ bezeichnet, legt verstärkt Wert auf Wohnkomfort und Barrierefreiheit. Diese Altersgruppe beginnt oft, sich Gedanken über altersgerechtes Wohnen zu machen, und bevorzugt Wohngegenden mit guter medizinischer Versorgung und Zugang zu Naherholungsgebieten. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung wird bei der Wohnungssuche dieser Altersgruppe zunehmend die Nähe zu kulturellen Einrichtungen und sozialen Netzwerken wichtig, um ein aktives und erfülltes Leben zu führen. Immobilienportale bieten hier spezielle Filteroptionen für barrierefreie Wohnungen und seniorenfreundliche Wohngegenden an.

Senioren ab 65 Jahren fokussieren sich auf die Nähe zu Gesundheitsdienstleistungen und sozialen Einrichtungen. Eine Analyse der Europäischen Kommission zu Wohnen und Alter zeigt, dass ältere Menschen häufig Wert auf eine ruhige Umgebung und leicht zugängliche öffentliche Verkehrsmittel legen, um Mobilität und Unabhängigkeit zu bewahren. Viele Städte bieten spezielle Beratungsdienste und Wohnraumanpassungsprogramme an, um älteren Menschen bei der Suche nach geeigneten Wohnungen zu unterstützen.

Unsere Zukunft: Die 15-Minuten-Stadt

Ein zunehmend populäres Konzept, das diese unterschiedlichen Bedürfnisse zu vereinen versucht, ist die 15-Minuten-Stadt. Diese Idee, die besonders durch den Stadtplaner Carlos Moreno populär wurde, zielt darauf ab, dass alle wichtigen Einrichtungen und Dienstleistungen innerhalb eines 15-minütigen Fuß- oder Fahrradwegs erreichbar sind. Studien zeigen, dass dieses Modell nicht nur die Lebensqualität steigert, sondern auch zur Reduzierung von Verkehr und CO2-Emissionen beiträgt. Städte wie Paris und Melbourne experimentieren bereits erfolgreich mit diesem Konzept. Für die Wohnungssuche bedeutet dies, dass man bei der Wahl der Wohngegend gezielt nach solchen integrierten Stadtteilen suchen sollte, die eine gute Mischung aus Wohnraum, Arbeit, Gesundheit, Bildung, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangeboten bieten.

Insgesamt zeigt sich, dass die Wohnungswahl ein komplexer Prozess ist, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Unterschiedliche Altersgruppen haben spezifische Anforderungen und Wünsche, die bei der Suche nach der passenden Wohnung und Wohngegend berücksichtigt werden müssen. Die Integration der Prinzipien der 15-Minuten-Stadt bietet eine vielversprechende Perspektive, um den vielfältigen Bedürfnissen gerecht zu werden und nachhaltige, lebenswerte Stadtstrukturen zu schaffen.


Q&A zur Wahl der Wohngegend & 15min-Stadt

Wie genau wird das Konzept der 15-Minuten-Stadt in verschiedenen Städten weltweit umgesetzt und welche spezifischen Beispiele gibt es dafür?

Das Konzept der 15-Minuten-Stadt wird in verschiedenen Städten durch die Schaffung von lokal zugänglichen Dienstleistungen und Annehmlichkeiten umgesetzt. Paris ist ein Vorreiter, wo Bürgermeisterin Anne Hidalgo (Stand 07/2024) Initiativen gestartet hat, um Straßen zu beruhigen, Parks zu erweitern und den Zugang zu Bildung, Gesundheit und Einkaufsmöglichkeiten innerhalb eines 15-Minuten-Radius zu fördern. In Melbourne, Australien, wird das Konzept durch die Planung von „20-Minute Neighbourhoods“ umgesetzt, die ähnliche Ziele verfolgen, während in Portland, USA, das Ziel ist, dass 90% der Bewohner ihre täglichen Bedürfnisse zu Fuß oder mit dem Fahrrad innerhalb von 20 Minuten erreichen können.

Welche Technologien und digitalen Tools können die Wohnungssuche nach den individuellen Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen erleichtern?

Digitale Plattformen wie Immobilien-Websites und Apps, die auf künstlicher Intelligenz basieren, können personalisierte Suchergebnisse liefern. Anwendungen wie ImmoScout24 und Zillow ermöglichen es Benutzern, detaillierte Filter zu setzen, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen. Virtuelle Touren und Augmented Reality (AR) Tools bieten einen realistischen Eindruck von potenziellen Wohnungen, ohne dass physische Besichtigungen notwendig sind. Für ältere Menschen bieten spezielle Plattformen wie SilverNest Unterstützung bei der Suche nach altersgerechtem Wohnraum.

Wie beeinflusst die Entwicklung von Remote-Arbeit und Homeoffice die Wohnungswahl und die Prioritäten der verschiedenen Altersgruppen?

Die Möglichkeit zur Remote-Arbeit hat viele Menschen dazu veranlasst, Wohnungen mit zusätzlichen Räumen oder einem Homeoffice zu bevorzugen. Jüngere Berufstätige und Familien suchen zunehmend nach Wohnungen mit flexiblem Raumangebot, das sowohl für Arbeit als auch für Freizeit genutzt werden kann. Ältere Menschen könnten Wohnungen in ruhiger Umgebung und mit Zugang zu guter Internetverbindung bevorzugen, um ihre beruflichen oder persönlichen Aktivitäten von zu Hause aus fortzusetzen.

Welche spezifischen Barrierefreiheitsmaßnahmen sind besonders wichtig für ältere Menschen und wie können diese in bestehenden Wohnungen nachgerüstet werden?

Wichtige Barrierefreiheitsmaßnahmen umfassen stufenlose Zugänge, breite Türen, rutschfeste Böden, gut erreichbare Lichtschalter und Griffe sowie anpassbare Badezimmer. Diese können in bestehenden Wohnungen durch den Einbau von Rampen, die Installation von Treppenliften, die Anpassung von Türrahmen und die Nachrüstung von rutschfesten Bodenbelägen und Haltegriffen umgesetzt werden. Finanzielle Unterstützung und Beratung können oft über lokale Behörden oder spezialisierte Organisationen in Anspruch genommen werden.

Welche politischen Maßnahmen und städtebaulichen Planungen unterstützen die Umsetzung der 15-Minuten-Stadt und wie können Bürger*innen daran partizipieren?

Politische Maßnahmen umfassen die Förderung von gemischter Nutzung von Flächen, Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel, die Schaffung von Radwegen und Fußgängerzonen sowie die Begrünung von städtischen Räumen. Städte wie Barcelona haben mit der Einführung von „Superblocks“ den Verkehr reduziert und öffentliche Räume zurückgewonnen. Bürger*innen können durch lokale Bürgerversammlungen, Stadtteilvertretungen und öffentliche Konsultationen aktiv an der Planung und Umsetzung teilnehmen. Plattformen wie „Decidim“ in Barcelona bieten digitale Beteiligungsmöglichkeiten, um Meinungen und Ideen einzubringen.


Die 15-Minuten-Stadt in Deutschland

Mehrere deutsche Städte haben begonnen, das Konzept der 15-Minuten-Stadt in ihre städtebaulichen Planungen zu integrieren oder erfüllen bereits viele der Kriterien dieses Modells. Hier sind einige Beispiele:

Freiburg im Breisgau ist bekannt für seine nachhaltige Stadtentwicklung und bietet viele Elemente einer 15-Minuten-Stadt. Die Stadt hat ein gut ausgebautes Netz von Radwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln, wodurch Bewohner leicht Zugang zu wichtigen Dienstleistungen und Freizeiteinrichtungen innerhalb kurzer Distanzen haben.

Hamburg arbeitet aktiv daran, verschiedene Stadtteile durch Projekte wie die „Sprung über die Elbe“ Initiative besser zu vernetzen und die Lebensqualität zu verbessern. Ziel ist es, dass Bewohner ihre täglichen Bedürfnisse innerhalb kurzer Zeit und ohne Auto erreichen können. Die Stadt setzt auf eine Mischung aus Wohn-, Arbeits- und Freizeiteinrichtungen, um kurze Wege zu fördern.

München plant ebenfalls in Richtung einer 15-Minuten-Stadt. Durch die Förderung von Fahrrad- und Fußgängerverkehr sowie die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrsnetzes soll die Erreichbarkeit von Dienstleistungen und Freizeitangeboten innerhalb kurzer Distanzen gewährleistet werden. Das Projekt „Stadt der kurzen Wege“ zielt darauf ab, multifunktionale Quartiere zu schaffen.

Leipzig hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und viele Stadtteile so gestaltet, dass sie den Prinzipien der 15-Minuten-Stadt entsprechen. Durch die Revitalisierung alter Industriebrachen und die Schaffung neuer, gemischter Wohn- und Gewerbegebiete können Bewohner viele ihrer täglichen Besorgungen in der Nähe erledigen.

Berlin setzt sich mit verschiedenen Stadtentwicklungsprojekten für die Idee der 15-Minuten-Stadt ein. Insbesondere im Rahmen von Neubaugebieten wie dem „Schöneberger Linse“ wird darauf geachtet, eine gute Infrastruktur mit Schulen, Supermärkten und Freizeiteinrichtungen innerhalb kurzer Distanzen zu schaffen. Berlin hat auch zahlreiche Initiativen zur Förderung des Fahrradverkehrs und zur Reduzierung des Autoverkehrs.